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Es ist wahrscheinlich kein Geheimnis, dass sowohl der selbsternannte Quiz-Sender 9Live als auch Sat.1, Pro Sieben, DSF, RTL und die anderen Sender, die nachts sogenannte Call-In-Shows anbieten, vor allem ein Ziel haben: Geld verdienen. Dabei muss die Menge des ausgeschütten Geldes natürlich weit unter dem Geld bleiben, das durch die Anrufe verdient wird. Schließlich müssen auch noch Produktion, Sendeminuten und das Telefonsystem von dem Geld bezahlt werden. Trotzdem machen die privaten Sender inzwischen einen nicht unbeträchtlichen Gewinn mit den Call-In-Shows, die somit trotz Belastung des Sender-Images weiter laufen.


Wie dabei vorgegangen wird, kann man sehr schön in zusammengeschnittenen YouTube-Videos beobachten.


Dabei gibt es verschiedene Taktiken, die Leute zum Anrufen zu bewegen, ohne viel Geld ausschütten zu müssen. Das eine ist die Hotbutton-Taktik: Ein besonders einfaches Rätsel wird gestellt, dem Zuschauer wird jedoch suggeriert, niemand komme auf die Lösung, weil kein Zuschauer durchgestellt wird. Es ist nach den Richtlinien der Landesmedienanstalten verboten diesen Eindruck zu erwecken, weshalb man vorsichtig formuliert. Statt "Warum ruft denn niemand an" wird z.B. scheinheilig gebettelt: "Leute, ihr könnte mich doch nicht hängen lassen. Die Lösung ist doch so einfach!". Um die lange Wartezeit zu überbrücken, in der faktisch nichts passiert, also kein Anrufer durchgestellt wird, hat man den "Hotbutton" erfunden. Dieser schlägt in jeder Sendung angeblich ungewöhnlich "oft zu". Stets wird dem Zuschauer suggeriert, er müsse gerade jetzt in der Leitung sein, damit der Zufallsmechanismus ihn "finden kann". Dazu wird tief in die Trickkiste des Abzock-TVs gegriffen: Trommelwirbel soll den Eindruck vermitteln gleich passiere etwas, ständig wird das Licht verändert, werden Geräusche eingespielt und Countdowns runtergezählt, während die meist hübsche Moderatorin oder der Moderator Marke "schleimiger Schwiegersohn" scheinbar vor Ektase fast zusammenbrechen. Am Ende dieser Countdowns passiert in fast allen Fällen gar nichts.

 

Eine andere Taktik ist die, sehr viele Zuschauer in kurzer Zeit durchzustellen, das Rätsel aber entweder so absurd oder so intransparent zu gestalten, dass niemand die richtige Lösung nennt. Dabei ist es wichtig, dass die Lösung scheinbar einfach zu finden ist, damit auch möglichst viele Zuschauer anrufen. Zu Anfang bediente man sich dabei bei 9Live noch Rätseln, deren Lösung absolut nicht nachvollziehbar waren, wie beispielsweise mal das ARD-Magazin Plusminus analysierte. Diese Fälle intransparenter Rätsel, in denen keine klaren Regeln zu Lösung angegeben wurden und viele Lösungen sich mit den Lösungswegen anderer ähnlicher Rätsel widersprachen, waren nahe am Betrug und wurden inzwischen von den Sendern aufgegeben. Stattdessen wird das Spiel "Wort vor X" vermehrt gespielt. Das Konzept: Die Zuschauer sollen bestimmte Begriffe erraten, die einem vorher festgelegten anderen Begriff als Bestandteil haben. So wird beispielsweise das Wort "Bau" vor die X-Begriffe gestellt. Sehr schnell rufen Zuschauer an und lösen die ersten beiden, sehr leichten, Begriffe für wenig Geld. Die Summe des Geldes, das gewonnen werden kann, steigt nun kontinuierlich über das gesamte Spiel, das meist mehrere Stunden gespielt wird, an. Durch die beiden bereits gelösten Begriffe, die meist auch noch ständig als Laufbalken "Bereits gelöst:" durchs Bild flimmern, wird dem vorbeizappenden Zuschauer suggeriert, die anderen Begriffe seien ebensoleicht zu lösen. Oft wird dies durch gebetsmühlenartige Beteuerungen der Moderatoren noch unterstrichen: "Ich kann es nicht fassen, dass so leichte Begriffe noch nicht gelöst wurden. Boxring und Boxhandschuhe wurden schon gelöst - die anderen Begriffe sind genauso leicht, glaubt es mir!".

 

Die anderen Begriffe allerdings werden nie gelöst - und das ist auch kein Wunder. Schließlich steht kaum einer von ihnen im Duden, viele würden nicht mal mit Google gefunden werden. Geraten werden sollen so absurde Begriffe wie Bauernregelbuch, Baucontainerabstellplatz, Bauklotzform, Baustellenhinweisschild und Baufluchtlinie. In einem anderen Spiel sollten beispielsweise so Begriffe wie Überraschungseifigur, Überlebenszelle (?), Über-Mikros-Kopie* (sic!), Überplanbestand (?), Überlandzentrale (?) und Übergangsbusbahnhof erraten werden. Auch nicht schlecht ist z.B. u.a. das "Amazonien-Haus". Geradezu realsatirschen Charakter hat dieser Ausschnitt, in dem "Jürgen" natürlich "völlig wahllos" schon mal zwei Begriffe aufdeckt, damit die Zuschauer sehen, wie einfach diese sind. Gerne werden auch Singular-Begriffe benutzt, wenn der Plural üblich ist oder umgekehrt. So sollten Zuschauer z.B. den Satz "Jürgen hat heute XXX gekauft" ergänzen. Die richtige Antwort: Schokokuss. Er hat also "Schokokuss gekauft", nicht Schokoküsse, was genannt wurde.

 

Übrigens: Wenn ihr euch fragt, warum oft das Wort "sicher" in den Sendungen eingeblendet wird: Zwischen "sicheren" 500 EUR Gewinn und einem Gewinn, der nicht mit diesem Zusatz versehen ist, besteht ein entscheidender Unterschied: Den "sicheren" Gewinn erhält man, wenn man eine richtige Lösung nennt, den nicht sicheren nicht. Wenn eine absurd hohe Gewinnsumme in der Sendung eingeblendet wird, die nicht mit dem Attribut "sicher" gekennzeichnet wird, bedeutet dies, dass man den Gewinn nur dann erhält wenn man nicht nur die richtigen Lösung nennt, sondern auch noch ein unschaffbares Zufallsspiel gewinnt, das sich daran anschließt.


Wer sind die Opfer dieser Sendungen? Die selben, die sich auch bei den Astro-TV-Sendungen das Blaue vom Himmel herunterlügen lassen: Vor allem arbeitslose Hartz-IV-Empfänger und Rentner, die am Rande des Existenzminimus leben. Nicht wenige haben sich durch die Shows schon hoffnungslos verschuldet. Oft fehlt den Anrufern auch ein soziales Umfeld, die Sendungen werden von Morgens bis Abends gesehen, die stets freundlichen Moderatoren fungieren als Familien- und Freundes-Ersatz. Einen guten Eindruck von der Klientel gibt z.B. diese tragikomische Aufzeichung.

 

 


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Quelle: http://fuckup.twoday.net/

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